10.11.2021
Gedenken an die Novemberpogrome - auf dem Weg der Stolpersteine

Tiefgehend und sehr berührend war das zentrale Gedenken des Kirchenkreises Bad Salzungen-Dermbach und des Bündnisses für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit im Wartburgkreis in Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Salzungen an die Novemberpogrome am 9. November in Bad Salzungen, an der nach Polizeiberichten mehr als 100 Menschen teilgenommen haben.


Startpunkt war eine Andacht in der Stadtkirche Bad Salzungen, in der ein Zeitzeugenbericht eines Augenzeugen erklang, der damals mit ansehen musste, wie Nachbarn und Freunde von der SS abgeholt wurden. Helmut Schroth, Jahrgang 1925, jahrelang Direktor der Betriebsakademie im Gesundheitswesen in Bad Salzungen, war dieses Jahr verstorben. Auf Bitten seiner Familie hatte er Erlebnisse aus seinem Leben aufgeschrieben. Darunter auch seine Schilderung der Pogromnacht, die er als Dreizehnjähriger in Eisenach erlebte. Sein Enkel hat die Aufzeichnungen seines Großvaters eingesprochen.


Pastorin Diana Engel griff die Geschichte auf, indem sie fragte, wie die Erinnerung  an die Gräueltaten der Nationalsozialisten wach gehalten werden kann. Sie wurde sehr persönlich: “In meinem Erleben hat es diese Zeit nie gegeben. In den Erzählungen der Alten kamen die Juden schlicht nicht vor. Erst durch Besuche von Yad Vashem, dem Holocaust-Denkmal in Jerusalem, wurde mir bewusst, wie viele jüdische Gemeinden hier in Thüringen, in meiner Heimat, ausgelöscht worden sind.” Man wollte die Juden aus dem Gedächtnis der Menschen auslöschen. Das dürfe nicht geschehen. Als Mahnung und zur Erinnerung dienten daher die Kerzen, die am Ausgang angezündet wurden.


An verschiedenen Stationen entlang der in Bad Salzungen verlegten Stolpersteine wurden die Schicksale der Verfolgten lebendig vor Augen geführt. Vor der Kirche und über der Stadt verteilt hatten derweil Jugendliche die Stolpersteine gesäubert und die Namen kenntlich gemacht. Schülerinnen und Schüler des Dr. Sulzberger-Gymnasiums hatten in Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendkunstschule Schweina  lebensgroße Silhouetten hergestellt und vor die Häuser gestellt, die dem Gedenken eine ungeahnte Tiefe gaben. Sie hatten seit den Sommerferien die Lebensgeschichten all derjenigen Juden herausgearbeitet, die in Bad Salzungen Opfer des Nationalsozialismus geworden sind. Gestaltete Koffer erzählten von den Schicksalen, persönliche Gedichte und Interpretationen ließen die Personen wieder lebendig werden.


Felix Hoffmann, Sprecher des Bündnisses für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit im Wartburgkreis, erklärte am Ende: “DIe Nacht des 9. November war der gewalttätige erste Schritt auf dem Weg zum Holocoust, dem größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Der Holocoust war ein Zivilisationsbruch ohnegleichen, der jedes Vorstellungsvermögen übersteigt. Deshalb brauchen wir das Gedenken wie das heutige, die die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten ins Bewusstsein der Menschen holen. Wir müssen aus der Geschichte lernen und wachsam bleiben.” Die Kunstprojekte der Schüler, die mahnenden, lebensgroßen Silhouetten mit ihren Koffern, werden in den nächsten Wochen u.a. im Mehrgenerationenhaus im Bahnhof, in der Demokratiewerkstatt und im Landratsamt noch zu sehen sein.

(Gastbeitrag von Thomas Volkmann)


Mehr Fotos

  © Thomas Volkmann   © Thomas Volkmann   © Thomas Volkmann